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Mit der Verzweiflung
Frieden schließen

 

Ajahn Sucitto

 

Die Frage, wie wir mit Verzweiflung Frieden schließen können, ist eine zutiefst spirituelle Frage. Sie kann durch den naheliegenden und gewohnheitsmäßigen Versuch, die Welt nach unseren Vorstellungen zu ändern, nicht wirklich gelöst werden. Mit der Verzweiflung Frieden schließen ist eine Sache des Verstehens. Ein Verstehen, das nicht nur begreift, daß wir uns Erfahrungen wie Verlust, Krankheit, Gewalt und Entbehrung ausgesetzt finden, sondern auch wie wir das bloße Bewußtsein solcher Probleme als erdrückend erleben.

Verzweiflung fällt uns aus vielen Gründen an: weil wir genau dann denken, wenn wir nicht denken wollen; weil der Geist unsicher, sprunghaft, unbeständig ist; weil wir zweifeln und nicht wissen, was wir tun sollen. Wir alle kennen das Gefühl der aufkommenden Verzweiflung: wenn sich irgend etwas querlegt, wenn etwas nicht verschwindet das wir nicht leiden mögen, wenn uns schmerzliche Erinnerungen einholen, wenn wir irgendwo hängen bleiben. Es gibt zahllose Gründe für unsere Verzweiflung; das Gefühl aber, von ihnen niedergezwungen und erdrückt zu werden, gleicht sich bei allen und es ist im wesentlichen eine spirituelles Leiden. Es befällt den Geist, das Herz, die Seele.

Menschen verfügen über die gedankliche Fähigkeit, von ihrer unmittelbaren Erfahrung einen Schritt Abstand zu nehmen und sich zu sagen: „Das gefällt mir nicht. So will ich das nicht. Das soll aufhören!“ Am Anfang des spirituellen Pfades steht die Erkenntnis, daß unser Hauptproblem nicht die ungerechte Regierung, Gewalt, Schmerz oder Geldmangel ist - nicht einmal, daß wir nicht geliebt werden - sondern jenes in unserem reflektierenden Geist entstehende Gefühl, von unseren jeweiligen Umständen erdrückt zu werden. Sich auf dieses Hauptproblem einlassen bedeutet vorab, die Verantwortung für die Stimmungen unseres Geistes zu übernehmen. Nun sind wir bereit, über die Probleme unserer Existenz, und damit auch über Verzweiflung, tiefer nachzudenken. Nach der Lehre des Buddha ist es das Unverständnis dieses Hauptproblems, das uns verleitet, uns und andere mit unseren Zielen, unserem Ehrgeiz, mit Fehden und Kreuzzügen zu plagen, und uns letztlich von Geburt zu Geburt zu schleppen. Und dies alles, um im Grunde nur unseren unangenehmen Gefühlen Abhilfe zu schaffen.

Es geht uns Menschen heute beträchtlich besser als noch vor wenigen Generationen. Wenn wir etwas weiter zurück blicken, läßt sich unser Dasein, was Annehmlichkeiten und Sicherheit angeht, kaum mehr mit jenem unserer urzeitlichen Vorahnen vergleichen: siebzig oder achtzig Jahre sind eine normale Lebensdauer geworden; wir heizen über automatische Temperaturfühler, versorgen unsern Körper auf Knopfdruck mit Licht und allen erdenklichen Annehmlichkeiten, reisen, essen die ausgefallensten Speisen, können eine erstaunliche medizinische Versorgung in Anspruch nehmen, tauschen mit ein paar Mausklicks Informationen in Windeseile, und erfreuen uns an der Bereicherung durch Künste, Musik und geistige Beschäftigung in einem Maß, wie es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit möglich war.Und dennoch ist die Macht des Leidens noch immer beträchtlich. Auch wenn uns nicht mehr Bären aus der Wohnhöhle jagen, der Kopf der Steinaxt abbricht, oder uns die Schwarze Pest dahinrafft: wir leiden noch immer. Leiden daran, daß der Computer aussteigt, daß der Rasenmäher verrückt spielt, beim Fernseher was durchbrennt, das Auto eine Panne hat. Laufend tauchen neue Krankheiten auf: Krebs, Viren, Allergien und Nervenleiden setzen uns zu. Wie viele Übel wir auch beseitigen, es scheinen nicht weniger zu werden. Wie unser Lebensstandard, so erhöhen sich unsere Erwartungen: Es scheint uns heute lästig, für die Strecke von London nach Edinburgh neun oder zehn Stunden zu brauchen. Vor 150 Jahren schien es ein Wunder, dieselbe Distanz in vierzehn Tagen zu schaffen — noch dazu ohne von einem Straßenräuber eins über den Schädel zu kriegen oder in den Torfmooren steckenzubleiben!

Wir bezahlen die Annehmlichkeiten unseres Lebens mit zunehmend größerer Abhängigkeit. Unterdessen sind die Maschinen, die wir täglich brauchen, so kompliziert geworden, daß wir sie nur noch ausnahmsweise selbst reparieren können. Was passiert bei einem Stromausfall? Unsere Vorfahren waren es sich gewöhnt im Dunkeln zu sitzen: sie gingen einfach schlafen oder zündeten eine Sturmlaterne an. Für uns sind die Dinge meist komplizierter. Ob Elektrizität vorhanden ist, steht kaum mehr in der Macht des Einzelnen, von Post, Flugverbindungen und Müllabfuhr ganz zu schweigen. Niemand kann sich der Komplexität unseres Lebens mehr entziehen. Wenn nun der Saft ausgeht, haben wir mit einem Schlag die Kontrolle über unsere aufwendig domestizierte Umwelt verloren und sind in vielem machtloser als unsere genügsamen Vorfahren. Diese Komplexität, unsere Abhängigkeit davon und unsere Machtlosigkeit bedeuten, daß wir immer am Rande eines psychologischen Abgrundes leben: ein Sturz in die Erfahrungen Verlust, Angst, Isolation oder Unsicherheit ist jederzeit möglich. Von äußeren Risiken wie bewaffneten Auseinandersetzungen, Umweltkatastrophen, immer wieder aufflackernden Kriegen oder der nach wie vor bestehenden nuklearen Bedrohung gar nicht zu reden.

Was können wir angesichts dieser Situation tun? — Nun, wir müssen unsere Weisheit einsetzen, um zu ergründen, woraus diese Anfälligkeit unseres Lebensgefühls entsteht. Ein ganz augenfälliger Grund ist dabei zweifellos, daß Menschen immer wieder versuchen, auf Sinnesebene mehr aus dem Leben herauszuholen, als es da zu holen gibt. So versuchen wir unermüdlich, Tod, Alter und Krankheit zu überlisten, über jene Grenzen hinaus zukommen, die die Natur uns setzt. In dem Maße, wie es uns tatsächlich gelang, diese Natur zu kontrollieren, haben wir aber nicht nur unsere Situation annehmlicher und sicherer gemacht, sondern immer auch ein Stück unserer Findigkeit, unserer inneren Widerstandskraft und Ausdauer verloren.

Wir scheinen einen Trieb zu laufender Lebensverbesserung in uns zu haben. Nicht, daß wir nun nicht versuchen sollten, die Dinge zu verbessern. Das Frustrierende an der ganzen Sache ist nur, daß wir bei unsern Versuchen viel Anstrengung und Energie aufwenden, ohne dabei groß Erfolg zu haben. Etwa so ähnlich, wie wenn wir Weizen auf Schutt anbauen: Es braucht eine Menge Arbeit, bis der Schutt für den Weizenanbau auch nur ein bißchen fruchtbar wird. Pflanzen wir diesen auf fruchtbaren Boden, so wächst er aber kräftig. Wenn wir auf Sinnesebene nach Frieden und Zufriedenheit streben, dann gleicht das dem Versuch, Weizen auf Schutt anzubauen: solange wir uns bloß als Geschöpfe unserer Sinne empfinden, werden uns immer Enttäuschungen und innere Verzweiflung aushöhlen. Das wesentliche Merkmal im Reich der Sinne - damit meine ich alles was wir hören, sehen, riechen, schmecken, ertasten und denken können und alle Wahrnehmungen, die aus diesen Sinnesfunktionen entstehen - ist Anfälligkeit und Unbeständigkeit: alles, was mit den Sinneserfahrung zu tun hat, stirbt.

Wie viele unserer Systeme funktionieren tatsächlich so, wie sie es sollten? Zum Beispiel dieses klösterliche System hier: Wir haben einen Rhythmus, eine besondere Form von Tagesablaufs, eine Ordensdisziplin etc. — als Leitidee hört sich dies alles sehr gut an. Aber im praktischen Leben muß diese Idee fortwährend gestaltet, geformt, angepaßt, kommentiert und erklärt werden; ihr Sinn muß erläutert und der richtige Umgang damit muß gelehrt werden. Daß so viel Aufwand nötig ist, geht nicht auf einen Fehler im System zurück. Es sind gerade die besten unter den Systemen, (alle welche sich nicht selbst als unumstößliche Wahrheit verabsolutieren) die diesen Aufwand erfordern. Mit anderen Worten: eine Idee, ein geistgeschaffenes Gebilde, das sich selbst für nicht mehr als eine Einschätzung hält, ist vielleicht die genaueste. Denn sie sagt aus, daß sich im Reich der Sinne nichts Vollkommenes herstellen läßt, daß wir uns immer im Hinblick auf Situation, Zeit und Ort anpassen müssen.

Jedes vom Verstand ausgearbeitete Verfahren muß in gelebter Praxis in einer Weise ausreifen, die niemals vollkommen ausgedrückt werden kann. Wir müssen auf unser prüfendes Verständnis bauen, müssen betrachten und hinterfragen lernen: „Funktioniert das? Gehen wir das auch wirklich mit Weisheit an?“ Wir haben Vorstellungen, wie unsere Ehe, unser Tagesablauf aussehen sollte - nicht zuletzt auch, wie wir sein sollten. Und wir müssen uns und unsere Vorstellungen ständig anpassen, können nicht einfach an ihnen festhalten und erwarten, daß alles funktioniert - oder wir stürzen uns mit großer Wahrscheinlichkeit in fürchterliche Verzweiflung.

Auch wenn wir eine gewählte Regierung haben: noch gibt es Gewalt und Bestechlichkeit in dieser Gesellschaft; trotz medizinischer Versorgung gibt es noch immer Krankheiten; obwohl wir leistungsfähige Maschinen bauen, plagen uns Versorgungsausfälle, Pannen, Durcheinander und Havarien. Immer bleibt etwas ungelöst, immer bleibt ein Wurm im Apfel. Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten im Leben sind weit natürlicher als jene Vorstellungen von Vollkommenheit, die wir uns anmaßen, einer sich sträubenden Welt aufzwingen zu wollen.Woher kommt diese Vorstellung von Vollkommenheit? Sie kommt von einer zusätzlichen Dimension, die der menschliche Geist hat: Katzen, Schnecken und Wanzen haben sie nicht. Auch Tiere erfahren Schmerz und Furcht, doch - so weit jedenfalls wie wir dies feststellen können - kennen sie jene erdrückende Qual nicht, die uns Menschen befällt, wenn alles schief zu laufen beginnt. Diese Qual ist eine Facette jener zusätzlichen Dimension unseres Geistes, die auch die Vorstellung von Vollkommenheit, das Ideal und den Traum schafft. Menschen sind träumende Geschöpfe. Wir hegen erhabene Bestrebungen mit einem Geist, der nach Vollkommenheit strebt, aber zugleich physisch verwurzelt in einer durch die Sinne verursachten Zwangslage lebt, in der Vollkommenheit groteskerweise überhaupt nicht existiert.

Die Vollkommenheit einer Rose ist, daß sie Knospen trägt, blüht, welkt, verblüht, die Blütenblätter fallen läßt und schließlich stirbt. Ihre Vollkommenheit ist die der Dinge, wie sie sind. Es hat wenig Sinn einer welkenden Rose zu sagen: „Ich bin enttäuscht! Du läßt mich im Stich! Weshalb bleibst du nicht frisch? Nach all dem feinen Mist, den ich dir gebracht habe!“

Der zusätzlichen Dimension unseres Geistes, sich etwas vorstellen oder nach etwas streben zu können, kommt große Bedeutung zu. Manchmal mißverstehen Menschen die Lehre des Buddha und meinen, sie bedeute vollständige Teilnahmslosigkeit — daß wir am besten im Zustand der Tatenlosigkeit leben, nur passiv beobachten und auf Nibbana, das endgültige Erlöschen warten. Ein verhängnisvolles Mißverständnis, das nicht etwa zu Geistesruhe und Gelassenheit führt, sondern nur zu Sterilität und einem allmählichen Ersticken des Geistes.

Was also tun unserem Unbehagen, den täglichen kleinen Enttäuschungen, den zahllosen Traurigkeiten — was mit unserer Angst vor diesen Erfahrungen? Wir kommen nach Hause, schalten den Fernseher, das Radio an, legen eine Kassette ein, lesen ein Buch, unterhalten uns mit jemandem, essen oder trinken etwas, rufen Freunde an.... und überkleistern das innere Unbehagen, lenken den Geist mit ein paar kräftigen Reizen ab und erleichtern so unser Befinden mit angenehmen und beruhigenden Sinneseindrücken. Doch das verhindert auf die Dauer die Verzweiflung nicht. Es ist verblüffend, wieviele Möglichkeiten zur Zerstreuung wir uns geschaffen haben. Die meisten davon sind nicht an sich interessant, sondern sie dienen in erster Linie dem Akt des Vermeidens: in unser Inneres zu schauen, uns mit unserer Psyche anzufreunden, die Folgen des Tages, dieser oder jener Auseinandersetzung zu betrachten, uns über Gefühle und Erinnerungen klar zu werden, die sich im Lauf der Jahre in uns ablagern - all die kleinen Fruste, Ängste, Qualen; und darunter die schwärzlich aufquellende Verzweiflung, daß dies alles kein Ende nimmt und wir im Grunde keinen Schritt weiterkommen.

Hinter unserem rastlosen Bedürfnis immer neue Dinge aufzunehmen, uns mit immer neuen Sinneserfahrungen zu versorgen, steht der Versuch, den unzufriedenen und aufgeregten Geist von sich selbst abzulenken. Oft sind wir uns nicht einmal mehr darüber klar, daß da überhaupt Unzufriedenheit ist und behaupten: „Mit mir ist alles in Ordnung“, bis wir einmal zehn Minuten stillsitzen und erkennen, was da alles in uns brodelt, und wie der Geist in Aufruhr gerät, wenn uns mit einem Mal verdrängte Gedanken, Erinnerungen und Gefühle einholen. Es ist nicht schwer, eine gewisse Zwanghaftigkeit in unseren Sinnesappetiten zu entdecken. Nicht etwa deshalb, weil wir besonders gierig oder lüstern wären, sondern oft einfach, weil wir, wohin auch unser Auge fällt, mehr oder weniger unterschwellig dazu ermutigt werden, uns mit Dingen zu versorgen — ein Klima, das Gier laufend begünstigt. Woher kommt dieser fortwährende Drang nach mehr, wenn wir doch offensichtlich schon so viel haben? — Weil uns Fülle und Auswahl möglicher Erfahrungen verwirren, reduziert sich unser Augenmerk ganz auf eine Welt der Sinne und der Dinge; diese kann naturgemäß nie halten, was sie verspricht, und wir finden uns irgendwann enttäuscht, eingeschränkt, und mit dem brennenden Gefühl, daß wir noch mehr brauchen.

Wahre spirituelle Suche verlangt, daß wir alle Erwartungen beiseite legen - auch jene, daß eine religiöse Form vollkommen sei, wahr und besser als alle anderen. Beginnen wir bei meiner eigenen: Theravada-Buddhismus ist als Form ganz in Ordnung, aber er hat eine Reihe Makel: Es fehlt der tiefgreifende Ansatz für ein Wohlfahrtsprogramm, es liegt sonderlich wenig Nachdruck auf freiheitlichen Idealen, Unabhängigkeit scheint kein Thema; Mönche und Nonnen können nicht ihre eigene Nahrung anbauen oder etwas in Richtung auf Selbstversorgung tun, sie können sich nicht einmal ausschließlich organischer oder vegetarischer Ernährung verschreiben. Und es ist durchaus möglich, für all dies ein gewisses Maß an Bedauern zu empfinden. Als ich meine erste Begegnung mit der Lehre des Buddha hatte, dachte ich mir, daß Zen am hübschesten sei: da gibt es wunderschöne Klöster, man übt Kalligraphie, fegt Kies und tut eine Reihe anderer, ausnehmend geschmackvoller Dinge; da werden wirklich weise, geistreiche Worte gesagt und alles ist ganz einfach makellos. Dann landete ich eines Tages in einem thailändischen Kloster, wo überall leere Dosen herumlagen, streunende Hunde den zu Haufen aufgeschichteten Abfall fraßen, und ich in einer kleinen Hütte saß und schwitzte! Nichts, das mich sehr inspiriert oder progressiv angemutet hätte. Was die äußeren Sinne betraf, und selbst auch auf Verstandesebene, war alles ein wenig enttäuschend; ich mußte viel von meinem intellektuellen Durst und Idealismus aufstecken.

Um wirklich aller Verzweiflung auf den Grund zu gehen, ist nichts weniger als eine vollständige Herzensänderung nötig: Die Bereitschaft, daß wir, was uns Bewußtsein und Sinne melden, nicht für mehr als nur das Rohmaterial, die bloße Grundlage sehen, auf welcher wir schließlich unser Menschsein verwirklichen, indem wir eine weitere Dimension in unser Leben bringen. Der Unterschied zwischen spiritueller Suche und dem Streben nach Perfektion auf weltlicher Ebene ist fein: der spirituelle Pfad ist im wesentlichen ein Geben, eine Hingabe an die Übung, jenen erkenntnisfähigen Aspekt des Geistes ans Tageslicht zu bringen, jene andere Dimension in uns zu kultivieren, von der ich gesprochen habe. Es ist eine Haltung, die mit Geduld auf Unruhe antwortet, mit Zuwendung auf Abneigung, mit Toleranz auf Vorurteile. Wir lernen aus jenem Teil unserer selbst zu leben, der zu antworten und nicht nur zu reagieren versteht. Der spirituelle Pfad lehrt Hingabe, statt unserer Umwelt mit der Forderung zu begegnen: „Mach mich glücklich und zwar so schnell wie möglich!“ Es ist verlockend, sich auf einen impulsiven und weltlichen Zustand des Geistes einzulassen: schnelle, dramatische Wirkungen haben etwas Betörendes. Wenn wir mit Unzulänglichkeiten unverzüglich und scheinbar endgültig aufräumen - die Blattlaus ausrotten, die Krankheit ersticken, die Feinde zerschlagen - kriegen wir ein berauschendes Gefühl von Erfolg und Fortschritt. Und um so mächtiger fühlen wir uns zurückgesetzt, wenn die Probleme unvermeidlicherweise wieder auftauchen: Gereiztheit, Ärger und Verzweiflung schlagen über uns zusammen. Den Pfad des spirituellen Suchers gehen heißt, unsere Erfahrungen viel tiefer und uneingeschränkter verstehen lernen, heißt, geduldiger und realistischer, ohne Selbstmitleid und Hoffnungslosikgeit mit unseren Grenzen leben. Wir werden dieses Jahr eine gewisse Menge Kohl an die Kaninchen verlieren, das ist nun mal so und wir werden uns darauf einzustellen haben.

Womit können wir Frieden und Glück in unserem Leben schaffen? Was ist das Wichtigste, das ein Menschen zu tun vermag? Wir erreichen es dadurch, daß wir uns über jene geistige Kraft in uns klarwerden, die Gutes zu schaffen vermag. Dieser Schatz allein ist ungeheur kostbar. Frieden und Glück schaffen heißt, soviel als möglich von dieser inneren Kostbarkeit wirksam und wirklich werden zu lassen. Es geht darum, die Unzulänglichkeiten des Körpers, des Geistes und der materiellen Umwelt als Anlaß zu nehmen, eine innere Haltung und Stärke zu kultivieren, die diesen Unzulänglichkeiten begegnet und sie ausgleicht. Nun stellt sich heraus, daß es gerade die uns auferlegten Beschränkungen sind, an denen wir zu einem volleren und reicheren Leben reifen, unseren Geist und unser Gewahrsein stärken um letztlich über alle Beschränkungen hinaus zu wachsen.

Leben ist schwierig. Es gibt Dinge, vor denen wir uns fürchten, Dinge, die uns wehtun. Doch wir können, statt uns bloß in Gedanken und Gefühlen über diese schmerzlichen Umständen zu verstricken, diese als Gelegenheit zum Wachstum wahrnehmen. Darin hängenbleiben bedeutet, daß wir uns in irgendetwas festgebissen haben, daß wir irgendwo Erwartungen auf den Leim gekrochen sind, uns eingeredet haben, die Dinge im Griff zu haben: wir lagen falsch. Die Dinge laufen anders. Es ist uns unmöglich, vorauszusagen, was mit dem eigenen Körper geschieht — wie also sollte uns dies für die Welt möglich sein? Auch mit dem eigenen Geist, den wir uns gern als den unsern und als uns selbst vorstellen, gelingt dies nicht. Der kleine Versuch, den eigenen Geist auf Geheiß glücklich, klar oder strahlend zu machen, muß scheitern: es geht nicht. Doch wenn wir uns etwas zurücknehmen und unsern guten Willen, unsere Aufmerksamkeit, unser Herz gewähren, klärt sich derselbe Geist von selbst. Es wird auch dann noch Schwierigkeiten geben. Aber jenes erstickende Gefühl an einem unverdaulich großen Bissen zu würgen, den wir weder schlucken, ausspucken noch ertragen können — dieses Gefühl ist weg.

Meditation hilft uns, an die Wurzeln schmerzlicher Erfahrungen zurückzukehren und sie genauer zu betrachten. Nicht um herauszukriegen, weshalb sie sein oder nicht sein sollten, was man nun dagegen unternehmen könnte, etc. Aber um zu sehen, wo genau uns die Mutlosigkeit erfaßt — wo ist dieses Gefühl und was genau ist es? Ist es nicht der Wunsch, daß die Dinge anders wären als sie sind? Und wenn wir bei diesem Gefühl verweilen, fühlen wir die Verzweiflung in uns aufsteigen, wenn die Dinge schieflaufen, wenn sich Schwierigkeiten einstellen, wenn’s chaotisch wird. Und doch ist es möglich, bei der aufsteigenden Panik und den aufwallenden Gefühlen zu bleiben, statt sie zu verdrängen oder mit anderen Sinneseindrücken zu überkleistern, sie einfach zu betrachten und die Aufmerksamkeit im Herzen zu halten - ein Herz, das dies zulassen und allem Raum zu gewähren vermag. Auf diese Weise verstricken wir uns nicht in die Verzweiflung, werden nicht von ihr erdrückt und sie wird irgendwann abklingen und verebben.

Dies also ist die Übung welche der Buddha als jene der Vier Edlen Wahrheiten darlegte: Unzufriedenheit, ihren Ursprung, ihr Ende, und der Pfad der zu diesem Ende führt. Es ist diese Übung, welche die sinnliche und materielle Welt in eine spirituelle vewandelt: aus Beschränkung und Sterblichkeit führt sie zu Freiheit und Erlösung. Dies ist ein wirkungsvolles Mittel, die Angst genau da zu entschärfen, wo sie uns packt. Auch sind dazu nicht zweitausend Jahre Geschichte nötig; es braucht dafür weder gewichtige Technologien noch eine veredelte Hochkultur. Was es braucht, ist eine Kultur unserer Instinkte; diese ist in der Tat bei Lebzeiten möglich: selbst innerhalb weniger Jahre ist der Pfad erkennbar und wir können ihn mit wachsender Zuversicht beschreiten.

 

Source : http://www.forestsangha.org

 

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