Aṅguttara Nikāya

Das Dreier-Buch

66. Die Rede an die Sālher

So habe ich gehört. Einst weilte der ehrwürdige Nandaka im Ostkloster bei Sāvatthī, im Terrassenbau der Mutter Migāras. Da nun begaben sich der Enkel des Migāra, der Sālher, und Rohana, der Enkel des Pekhuniya, dorthin, wo der ehrwürdige Nandaka weilte. Dort angelangt, begrüßten sie den ehrwürdigen Nandaka ehrfurchtsvoll und setzten sich zur Seite nieder. Und der ehrwürdige Nandaka sprach also zum Enkel des Migāra, dem Sālher:

„Geht, Sālher, nicht nach Hörensagen... nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Sālher, selber erkennt: ‚Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann, o Sālher, möget ihr sie aufgeben.

Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Begehrlichkeit?“

„Ja, o Herr.“

„Habgier aber nenne ich dies. Aus Begehrlichkeit nämlich bringt der Habgierige Lebendiges um, vergreift sich an fremdem Gut, vergeht sich mit seines Nächsten Weib, spricht die Unwahrheit, und auch andere veranlaßt er dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Haß?“

„Gewiß, o Herr.“

„Übelwollen aber nenne ich dies. Aus Haß nämlich bringt der Übelwollende Lebendiges um, vergreift sich an fremdem Gut, vergeht sich mit seines Nächsten Weib, spricht die Unwahrheit, und auch andere veranlaßt er dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Verblendung?“

„Gewiß, o Herr.“

„Unwissenheit aber nenne ich dies. Aus Verblendung nämlich bringt der Unwissende Lebendiges um, vergreift sich an fremdem Gut, vergeht sich mit seines Nächsten Weib, spricht die Unwahrheit, und auch andere veranlaßt er dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: sind diese Dinge heilsam oder unheilsam?“

„Unheilsam, o Herr.“

„Verwerflich oder untadelig?“

„Verwerflich, o Herr.“

„Werden diese Dinge von Verständigen getadelt oder gepriesen?“

„Getadelt, o Herr.“

„Und führen diese Dinge, wenn ausgeführt und unternommen, zu Unheil und Leiden oder nicht? Oder wie verhält es sich hiermit?“

„Diese Dinge, o Herr, wenn ausgeführt und unternommen, führen zu Unheil und Leiden. So denken wir hierüber.“

„Daher, Sālher, haben wir es gesagt: Geht nicht nach Hörensagen... nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr hingegen selber erkennt: ‚Diese Dinge sind unheilsam und verwerflich, sie werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann, o Sālher, möget ihr sie aufgeben. Was ich so gesagt habe, wurde eben mit Bezug hierauf gesagt.“

„Wohlan, Sālher, geht nicht nach Hörensagen... nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr hingegen selber erkennt: ‚Diese Dinge sind heilsam und untadelig, sie werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl‘, dann, o Sālher, möget ihr sie euch zu eigen machen.“

„Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Gierlosigkeit?“

„Gewiß, o Herr.“

„ Selbstlosigkeit (anabhijjhā, wtl: Freisein von Begehrlichkeit) aber nenne ich dies. Infolge seiner Gierlosigkeit nämlich bringt der Selbstlose nichts Lebendiges um, vergreift sich nicht an fremdem Gut, vergeht sich nicht mit seines Nächsten Weib, spricht nichts Unwahres, und auch andere veranlaßt er nicht dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Heil und Wohl gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Haßlosigkeit?“

„Gewiß, o Herr.“

„Wohlwollen aber nenne ich dies. Infolge seiner Haßlosigkeit nämlich bringt der Wohlwollende nichts Lebendiges um, vergreift sich nicht an fremdem Gut, vergeht sich nicht mit seines Nächsten Weib, spricht nichts Unwahres, und auch andere veranlaßt er nicht dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Heil und Wohl gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: gibt es wohl Unverblendung?“

„Gewiß, o Herr.“

„Wissen aber nenne ich dies. Infolge seiner Unverblendung nämlich bringt der Wissende nichts Lebendiges um, vergreift sich nicht an fremdem Gut, vergeht sich nicht mit seines Nächsten Weib, spricht nichts Unwahres, und auch andere veranlaßt nicht dazu; und dies wird ihm lange Zeit zum Heil und Wohl gereichen.“

„So ist es, o Herr.“

„Was glaubt ihr, Sālher: sind diese Dinge heilsam oder unheilsam?“

„Heilsam, o Herr.“

„Verwerflich oder untadelig?“

„Untadelig, o Herr.“

„Werden diese Dinge von Verständigen getadelt oder gepriesen?“

„Gepriesen, o Herr.“

„Und führen diese Dinge, wenn ausgeführt und unternommen, zum Wohle oder nicht? Oder wie steht es hiermit?“

„Diese Dinge, wenn ausgeführt und unternommen, führen zu Segen und Wohl. So denken wir hierüber.“

„Daher, Sālher, haben wir es gesagt: Geht nicht nach Hörensagen... nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr hingegen selber erkennt: ‚Diese Dinge sind heilsam und untadelig, sie werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl‘, dann, o Sālher, möget ihr sie euch zu eigen machen. Was ich so gesagt habe, wurde eben mit Beziehung hierauf gesagt.

Derart von Begierde und Übelwollen befreit, unverwirrt, wissensklar und achtsam, durchdringt der edle Jünger mit einem von Güte—von Mitleid—von Mitfreude—von Gleichmut erfüllten Geiste die eine Himmelsrichtung, ebenso die zweite, ebenso dritte, ebenso die vierte. So durchdringt er oben, unten, quer inmitten, überall, allerwärts, die ganze Welt mit einem von Güte, Mitleid, Mitfreude oder Gleichmut erfüllten Geiste, einem weiten, umfassenden, unermeßlichen, von Haß und Übelwollen befreiten.

Er weiß dann: ‚Dieses ist da, Niedriges ist da, Erhabenes ist da, und über diesen Bereich der Wahrnehmung hinaus gibt es ein Entrinnen‘ (*2). Indem er also weiß, also erkennt, wird sein Geist befreit vom Sinnlichkeitstrieb, befreit vom Daseinstrieb, befreit vom Nichtwissenstrieb. Im Befreiten aber erhebt sich die Erkenntnis des Befreitseins, und er weiß: ‚Versiegt ist die Wiedergeburt, erfüllt der heilige Wandel, getan ist, zu tun war, nichts weiteres gibt es mehr zu tun nach diesem hier.‘

Und er weiß: ‚Einstmals bestand Begehren, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist‘s gut. Einstmals bestand Haß, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist‘s gut. Einstmals bestand Verblendung, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist‘s gut.‘

So verweilt er schon bei Lebzeiten gestillt, erloschen, abgekühlt, in seligem Gefühle, heilig gewordenen Herzens.“