Aṅguttara Nikāya

Das Vierer-Buch

185. Die Wahrheiten des Priesters

Einst weilte der Erhabene bei Rājagaha auf der Geierspitze. Zu jener Zeit aber lebten am Ufer der Sappinī, im Kloster der Wanderasketen, zahlreiche hochangesehene Wanderasketen, wie Annabhāra, Varadhara, der Wanderasket Sakuludāyi und andere hochangesehene Wanderasketen.

Da nun begab sich der Erhabene, nachdem er sich gegen Abend aus seiner Zurückgezogenheit erhoben hatte, ans Ufer der Sappinī zum Kloster der Wanderasketen. Zu jener Zeit nun hatte sich unter jenen andersfährtigen Wanderasketen, während sie zusammen dasaßen, ein Gespräch darüber entsponnen, welches die Wahrheiten des Priesters seien.

Der Erhabene nun begab sich dorthin, wo jene Wanderasketen weilten und setzte sich auf dem ihm angebotenen Sitze nieder. Nachdem er sich gesetzt hatte, wandte er sich an jene Wanderasketen und sprach:

„Zu welchem Gespräche, o Wanderasketen, sitzt ihr da beisammen, und bei welcher Unterhaltung habt ihr euch unterbrochen?“

„Es hat sich da, Herr Gotama, als wir so zusammen saßen, ein Gespräch darüber entsponnen, welches die Wahrheiten des Priesters seien.“

„Vier Wahrheiten des Priesters, o Wanderasketen, verkünde ich, nachdem ich sie selber erkannt und verwirklicht habe. Welche vier?

  • Da spricht, ihr Wanderasketen, der Priester also: ‚Kein Wesen soll man töten!‘ Und damit spricht der Priester eine Wahrheit und nichts Falsches. Deshalb aber meint er nicht: ‚Ein Priester bin ich‘, meint nicht: ‚Ein Asket bin ich‘, meint nicht: ‚Besser bin ich‘, meint nicht: ‚Ebenbürtig bin ich‘, meint nicht: ‚Geringer bin ich‘—sondern die Wahrheit darin verstehend, wandelt er eben voller Erbarmen und Mitleid mit den Wesen.
  • Ferner noch, ihr Wanderasketen: da spricht der Priester also: ‚Alle Sinnenlüste sind vergänglich, leidvoll, dem Wechsel unterworfen.‘ Und damit spricht der Priester eine Wahrheit und nichts Falsches. Deshalb aber meint er nicht: ‚Ein Priester bin ich‘, meint nicht: ‚Ein Asket bin ich‘, meint nicht: ‚Besser bin ich‘, meint nicht: ‚Ebenbürtig bin ich‘, meint nicht: ‚Geringer bin ich‘—sondern die Wahrheit darin verstehend, wandelt er in Abwendung von den Sinnenlüsten, in Entsüchtung von ihnen, in ihrer Aufhebung.
  • Ferner noch, ihr Wanderasketen: da spricht der Priester also: ‚Alle Daseinsformen sind vergänglich, leidvoll, dem Wechsel unterworfen.‘ Und damit spricht der Priester eine Wahrheit und nichts Falsches. Deshalb aber meint er nicht: ‚Ein Priester bin ich‘, meint nicht: ‚Ein Asket bin ich‘, meint nicht: ‚Besser bin ich‘, meint nicht: ‚Ebenbürtig bin ich‘, meint nicht: ‚Geringer bin ich‘—sondern die Wahrheit darin verstehend, wandelt er in Abwendung von den Daseinsformen, in Entsüchtung von ihnen, in ihrer Aufhebung.
  • Ferner noch, ihr Wanderasketen: da spricht der Priester also: ‚Nicht gehöre ich irgendwo irgend jemandem an; noch gehört mir etwas irgendwo in irgendeiner Hinsicht an.‘ Und damit spricht der Priester eine Wahrheit und nichts Falsches. Deshalb aber meint er nicht: ‚Ein Priester bin ich, meint nicht: ‚Ein Asket bin ich‘, meint nicht: ‚Besser bin ich‘, meint nicht: ‚Ebenbürtig bin ich‘, meint nicht: ‚Geringer bin ich‘—sondern die Wahrheit darin verstehend, wandelt er eben den Pfad der Nichtirgendetwasheit (ākiñcaññam yeva patipadam).

Diese vier Wahrheiten des Priesters, o Wanderasketen, verkünde ich, nachdem ich sie selber erkannt und verwirklicht habe.“