Dīgha Nikāya 11

Kevaddha Sutta

Das Gespräch mit dem Bürger Kevaddha

Also habe ich vernommen.

Einmal hielt sich der Erhabene im Pāvārika-Mangowalde bei Nāḷandā auf. Da kam der Bürger Kevaddha zum Erhabenen, verneigte sich ehrfurchtsvoll vor ihm, nahm etwas abseits Platz und richtete folgende Worte an den Erhabenen: „Herr, dieses unser kräftig gedeihendes, blühendes und stark bevölkertes Nāḷandā ist mit einem großen Teile seiner Einwohnerschaft dem Erhabenen zugetan. Da wäre es vielleicht ganz angebracht, Herr, wenn der Erhabene einen Bhikkhu anwiese, mit Hilfe seiner übermenschlichen Fähigkeiten ein nur für die magischen Kräfte der Heiligkeit mögliches Wunder zu vollbringen. Diese unsere Stadt Nāḷandā würde dann noch viel fester an den Erhabenen glauben.“ Der Erhabene antwortete dem Bürger Kevaddha: „Kevaddha, ich predige den Bhikkhu’s die Lehre nicht in dieser Form: ‚Wohlan, Bhikkhu’s, macht mit Hilfe eurer übermenschlichen Fähigkeiten den weißgekleideten Bürgern magische Heiligkeitswunder vor!‘“

Der Bürger Kevaddha begann von neuem: „Ich will ja zwar den Erhabenen nicht verleiten, aber das möchte ich doch wiederholen: Herr, unser kräftig gedeihendes, blühendes und stark bevölkertes Nāḷandā ist mit einem großen Teile seiner Einwohnerschaft dem Erhabenen zugetan; da wäre es vielleicht ganz angebracht . . ..“ Aber wieder antwortete ihm der Erhabene: „. . ..“

Noch ein drittes Mal richtete Kevaddha die Worte an den Erhabenen: „. . ..“ (Da sprach dieser): „Kevaddha, dreierlei Wunder tue ich kund kraft eigener Erkenntnis und Verwirklichung: das mit der magischen Kraft der Heiligkeit vollführte Wunder, das Wunder der Offenbarung (des Inneren anderer) und das Wunder der Lehre.

„Kevaddha, worin besteht das mit der magischen Kraft der Heiligkeit vollführte Wunder? In diesem Falle, Kevaddha, ist ein Bhikkhu im Besitze der mannigfachen magischen Kräfte der Heiligkeit: aus der einen Person, die er ist, wandelt er sich zu einer Vielheit, und aus der Vielheit wieder zu einer einzigen Person, bald zeigt er sich den Blicken, bald verschwindet er, ungehemmt geht er durch Wände, Wälle, Berge, als wären sie leere Luft, er taucht in die Erde und wieder heraus, als wäre sie Wasser, ohne einzusinken wandelt er auf dem Wasser wie auf dem Erdboden, er schwebt auf gekreuzten Beinen sitzend durch die Luft wie der beschwingte Vogel, jene beiden so mächtigen und gewaltigen (Himmelskörper) Mond und Sonne faßt er mit der Hand und streichelt sie, und in körperlicher Gestalt vermag er bis in die Welt Brahmā’s zu gelangen.

„Diese Kräfte der Heiligkeit sieht ihn ein überzeugter Gläubiger ausüben.

„Der spricht davon zu einem ungläubigen Nichtanhänger (des Erhabenen): ‚Erstaunlich und wunderbar, Verehrtester, sind doch die großen magischen Fähigkeiten der Heiligkeit, die großen Kräfte eines Samaṇa. Ich sah einen Bhikkhu wahrhaftig die verschiedenen magischen Fähigkeiten der Heiligkeit ausüben: aus der einen Person . . . und in körperlicher Gestalt vermochte er bis in die Welt Brahmā’s zu gelangen.‘

„Der ungläubige Nichtanhänger antwortet ihm vielleicht darauf: ‚Es gibt ein Zauberwissen, das Gandhārawissen heißt ‚, vermöge dessen vollführt er das alles‘. Was meinst du, Kevaddha, könnte der ungläubige Nichtanhänger nicht vielleicht so zu dem überzeugten Gläubigen sprechen?“ „Freilich, Herr.“ „Kevaddha, das ist das Unerfreuliche, was ich an dem magischen Heiligkeitswunder auszusetzen finde. Und darum ist es mir mißfällig und zuwider.

„Und worin, Kevaddha, besteht das Wunder der Offenbarung (des Inneren)? Darin, daß ein Bhikkhu anderer Wesen, anderer Individuen Herz und Denken, Überlegungen und Erwägungen an’s Licht zieht: ‚Solcher Art ist dein Denken, so ist deine Gesinnung, so dein Herz‘. Das geht nun vielleicht vor den Augen eines überzeugten Gläubigen vor sich.

„Der spricht darüber dann zu einem ungläubigen Nichtanhänger (des Erhabenen): ‚Erstaunlich und wunderbar, Verehrtester, sind doch die übernatürlichen Fähigkeiten der Heiligkeit, die großen Kräfte eines Samaṇa. Ich war wahrhaftig dabei, wie ein Bhikkhu anderer Wesen, anderer Individuen Herz und Denken, Überlegungen und Erwägungen offenbarte: ‚. . .‘ Dann antwortet ihm aber vielleicht jener ungläubige Nichtanhänger: ‚Es gibt ein Zauberwissen mit Namen ‚Edelstein‘. Vermöge dessen offenbart jener Bhikkhu anderer Wesen, anderer Individuen Herz und Denken . . .: ‚Solcher Art ist dein Denken, so ist deine Gesinnung, so dein Herz‘.‘ Was meinst du, Kevaddha, könnte der ungläubige Nichtanhänger nicht vielleicht so zu dem überzeugten Gläubigen sprechen?“ „Freilich, Herr.“

„Kevaddha, das ist das Unerfreuliche, was ich an dem Wunder der Offenbarung (des Inneren anderer) auszusetzen finde! Und deswegen mißfällt es mir und ist mir zuwider.

„Und worin, Kevaddha, besteht das Wunder der Lehre? Darin, daß ein Bhikkhu andere so unterweist: ‚Denkt so und nicht so, richtet euren Geist auf dies und nicht auf das, dies gebt auf und nach jenem ringet und haltet es fest!‘ Das, Kevaddha, heißt das Wunder der Lehre.

„Es liegt ferner vor, Kevaddha, wenn in der Welt ein Tathāgata ersteht, ein vollendeter vollkommen Erleuchteter . . . (nach dem Sāmaññaphala-Sutta auszuführen).

44–45(D. 2,75+76)

46–51(D. 2,77–82)Kevaddha, auch das heißt Wunder der Lehre.

(D. 2,83) Auch das heißt Wunder der Lehre.

53–66(D. 2,84–98) Kevaddha, das heißt das Wunder der Lehre.

„Kevaddha, das sind die drei Wunder, die ich kund tue kraft eigener Erkenntnis und Verwirklichung.

„Kevaddha, einem Bhikkhu dieser selben Bhikkhu-Gemeinde kam früher einmal die Erwägung: ‚Wo finden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende?‘ Da versetzte er sich in solche Geistes-Konzentration, daß ihm vermöge dieser Konzentration der zu den Göttern führende Weg offenbar wurde.

„Und er kam zu den Göttern, die von den vier Götterkönigen beherrscht werden, und richtete an sie die Frage: ‚Freunde, wo finden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende?‘ Sie antworteten ihm: ‚Bhikkhu, das wissen wir auch nicht. Da sind aber die vier großen Götterkönige, herrlicher und erhabener als wir, die werden es wohl wissen.‘

„Da ging der Bhikkhu zu den vier großen Götterkönigen und richtete an sie dieselbe Frage. Sie antworteten: ‚Bhikkhu, das wissen wir auch nicht. Da sind aber die Tāvatiṃsa- Götter, herrlicher und erhabener als wir, die werden es wohl wissen.‘

„Da ging der Bhikkhu zu den Tāvatiṃsa-Göttern und legte ihnen dieselbe Frage vor. Sie antworteten ebenso und verwiesen ihn mit denselben Worten an Sakka, den König der Götter, dieser an die Yāma-Götter, diese an den Gott Suyāma, dieser an die Tusita-Götter, diese an den Gott Santusita, dieser an die Nimmānarati-Götter, diese an den Gott Sunimmita, dieser an die Paranimmita-Vasavatti-Götter, diese an den Gott Vasavattī, dieser an die Götter des Reiches des Brahmā.

„Da versetzte sich jener Bhikkhu in solche Geistes-Konzentration, daß ihm vermöge derselben der Weg, der zur Brahmāwelt führt, offenbar wurde. Darauf begab er sich zu den Göttern der Welt des Brahmā und legte ihnen dieselbe Frage vor. Sie antworteten ihm: ‚Bhikkhu, das wissen wir auch nicht. Da ist ja aber noch Brahmā, der große Brahmā, der Allmächtige, keinem Untergebene, dessen Auge nichts verborgen ist, der unumschränkte Herr, der Wirkende, der Schöpfer, der höchste Regierer, der alles nach seinem Willen lenkt, der Vater alles Gewordenen und Zukünftigen, herrlicher und erhabener als wir, der wird es wohl wissen.‘ ‚Liebe Freunde, wo hält sich aber augenblicklich der große Brahmā auf?‘ ‚Auch wir wissen nicht, wo Brahmā sich aufhält, auf welchem Wege man zu ihm gelangt, wohin man sich wenden muß, um zu ihm zu kommen. Aber wenn Zeichen gesehen werden, wenn es licht wird und Glanz hervorbricht, dann wird Brahmā erscheinen. Das sind die Vorzeichen von Brahmā’s Erscheinen, daß es licht wird und Glanz hervorbricht.‘

„Kevaddha, nicht lange danach erschien der große Brahmā. Der Bhikkhu ging zu ihm und legte ihm die Frage vor: ‚Lieber Freund, wo finden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende?‘ Der große Brahmā antwortete: ‚Bhikkhu, ich bin Brahmā, der große Brahmā, der Allmächtige, keinem Untergebene, dessen Auge nichts verborgen ist, der unumschränkte Herr, der Wirkende, der Schöpfer, der höchste Regierer, der alles nach seinem Willen lenkt, der Vater alles Gewordenen und Zukünftigen!‘

„Auf’s neue sprach der Bhikkhu zu Brahmā. ‚Lieber Freund, ich frage dich ja nicht, ob du Brahmā, der große Brahmā . . . seist, sondern, wo die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende finden.‘ Aber wiederum antwortete Brahmā. ‚Ich bin Brahmā, der große Brahmā . . .‘

„Und zum dritten Male richtete der Bhikkhu das Wort an den großen Brahmā. ‚Lieber Freund, ich frage dich nicht, ob du Brahmā, der große Brahmā . . . seist, sondern, wo die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende finden‘. Da faßte der große Brahmā den Bhikkhu am Arme, nahm ihn beiseite und sprach zu ihm: ‚Bhikkhu, hier diese Götter des Brahmā-Himmels denken, es gäbe nichts, das Brahmā nicht erschaut und erkannt hätte, und nichts, das ihm nicht offenbar wäre. Darum antwortete ich dir nicht in deren Anwesenheit. Bhikkhu, auch ich weiß nicht, wo die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende finden. Du hast also einen Fehler gemacht und nicht recht daran getan, den Erhabenen zu umgehen und wo anders eine Antwort auf diese Frage zu suchen. Gehe zum Erhabenen, Bhikkhu, und lege sie ihm vor; und was er dir antwortet, das lasse ruhig gelten!‘

„Mit der Schnelligkeit, mit der ein starker Mann seinen gebeugten Arm ausstreckt oder seinen ausgestreckten Arm beugt, war da der Bhikkhu fort aus dem Brahmā-Himmel und erschien bei mir. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll vor mir und nahm etwas abseits Platz. Dann fragte er mich: ‚Herr wo finden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende?‘

„Ich entgegnete ihm folgendes: ‚Bhikkhu, ehemals pflegten seefahrende Handelsleute einen landspähenden Vogel mitzunehmen, wenn sie mit dem Schiff in See stachen. Kam das Land einmal außer Sicht, so ließen sie den landspähenden Vogel fliegen. Der flog nach Osten, nach Süden, Westen und Norden, in die Höhe und ringsum. Wenn er irgendwo am Horizonte die Küste erblickte, nahm er seinen Flug in entsprechender Richtung. Sah er aber nirgendwo am Horizont etwas von der Küste, so kehrte er zum Schiffe zurück. Geradeso bist du, Bhikkhu, nachdem du bis hinauf in den Himmel des Brahmā nach einer Antwort auf diese deine Frage gesucht und keine gefunden hast, zu mir zurückgekommen. Deine Frage sollte aber garnicht so gestellt werden: ‚Herr, wo finden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft restlos ihr Ende?‘, sondern so:

‚Wo ist es, wo auf nichts mehr ruht
Luft, Feuer, Erde, Wasserflut,
Wo lang und kurz, wo grob und fein
Und schön und schlecht hört auf zu sein,
Wo Form und Name nicht besteht
Und ohne Rest zu Ende geht?‘

„Die Antwort lautet:

‚Die Wahrnehmung selbst niemand sieht
Doch endlos rings ist ihr Gebiet,
In ihr ohn‘ andre Stützen ruht
Luft, Erde, Feuer, Wasserflut,
Und sie schließt lang, kurz, grob und fein
Und schön und unschön in sich ein:
Wie Form so Name nicht besteht,
Wenn Wahrnehmung zu Ende geht.‘“

So sprach der Erhabene. Der Bürger Kevaddha aber nahm seine Worte mit Dankbarkeit und Freude auf.

Ende des Kevaddha-Sutta.