Dīgha Nikāya 8

Kassapa-Sīhanāda Sutta

Die Unterredung mit Kassapa über kühne Sprechweise

So habe ich berichten hören.

Der Erhabene hielt sich einmal im Tierpark Kaṇṇaka-tthala bei Ujuññā auf. Da erschien Kassapa, ein Nacktgänger, bei dem Erhabenen, tauschte mit ihm die üblichen freundlichen Begrüßungsworte und höflichen Fragen nach dem Befinden u. s. w., blieb etwas abseits stehen und sprach zum Erhabenen:

„Verehrter Gotama, ich habe gehört, der Samaṇa Gotama mißbillige alle Askese, er spreche ausnahmslos abfällig und mißbilligend über alle Asketen von rauher Lebensweise. Berichten nun die, die das erzählen, wortgetreu, was du, verehrter Gotama, selbst gesagt hast, und verleumden sie nicht etwa den erhabenen Gotama? Geben sie deine Lehrmeinung richtig wieder? Und tut man nicht etwas Tadelnswertes, wenn man bei einer Diskussion über die Lehre auf solchen Äußerungen fußt? Denn den Herrn Gotama verleumden, das möchte ich nicht.“

„Kassapa, die Leute, die das sagen, geben nicht meine Worte wieder, sie verleumden mich mit falscher Nachrede. Ich habe in dieser Sache zu bemerken: Kraft meines klaren übermenschlichen himmlischen Gesichtes . . . sehe ich manch einen Asketen von rauher Lebensweise nach seinem körperlichen Ende, dem Tode, in unglückliche, leidvolle Existenzen, an die Orte der Pein, in die Hölle geraten. Manch anderen Asketen von rauher Lebensweise sehe ich mit diesem klaren übermenschlichen himmlischen Gesichte . . . nach seinem körperlichen Ende, dem Tode, in glückliche Existenzen, in den Himmel gelangen. Dann sehe ich mit diesem klaren übermenschlichen himmlischen Gesichte wieder manchen anderen Asketen mit nicht sonderlich unbequemer Lebensweise nach seinem körperlichen Ende, dem Tode, in unglückliche, leidvolle Existenzen, an die Orte der Pein, in die Hölle geraten . . . und (umgekehrt) manch einen mit nicht sonderlich unbequemer Lebensweise in glückliche Existenzen, in den Himmel gelangen. Kassapa, wie kann nun wohl ich, der ich dieser Asketen Herkunft und Hingehen, Abscheiden und Wiederkehren, so wie es sich vollzieht, überschaue, von keinerlei Askese etwas wissen wollen und ausnahmslos über alle Asketen von rauher Lebensweise absprechend und mißbilligend urteilen?

„Kassapa, es gibt manche Samaṇa’s und Brahmanen, die klug, scharfsinnig und geschickt zur Disputation sind, die (mit der Schärfe ihres Verstandes) selbst ein Haar zerspalten und die mit einer (einzigen) Betätigung ihrer Weisheit im Vorbeigehen (allen) dogmatischen Sätzen sozusagen den Garaus machen. Zwischen ihnen und mir herrscht in einigen Punkten Übereinstimmung, in einigen nicht. Manches, was ihre Billigung findet, hat auch die meine, und manches, was die ihre nicht findet, hat auch die meine nicht. Manches aber, was ihre Billigung findet, hat nicht die meine, und manches, was die ihre nicht findet, hat die meine. Und anderseits: Manches, was meine Billigung findet, hat auch die der anderen, und manches, was die meine nicht findet, hat auch die der anderen nicht. Und manches, was meine findet, hat die der anderen nicht, und manches, was meine nicht findet, hat die ihre.

„Ich spreche zu ihnen, wenn ich sie aufsuche: ‚Freunde, wir wollen die Punkte auf sich beruhen lassen, betreffs deren wir nicht derselben Ansicht sind. Was die aber anbetrifft, in denen wir übereinstimmen, so mögen Verständige uns ins Verhör nehmen—entweder ein Lehrer den anderen oder eine Gemeinschaft die andere—, unseren Standpunkt sich begründen lassen und diese Begründung kritisch beleuchten, um herauszubekommen, wer von beiden von dem, was nicht gut, was tadelnswert, nicht zu pflegen, eines Auserlesenen unwürdig und befleckend und beiderseits dafür erklärt worden ist, vollständig und dauernd sich freigemacht hat, der Samaṇa Gotama oder die anderen verehrlichen Sektenlehrer‘.

„Kassapa, da kommt es nun vor, daß die Verständigen nach diesem Verhör und dieser Prüfung das Urteil fällen: ‚Der Samaṇa Gotama hat jenes Böse . . . gründlicher abgestreift als die verehrlichen Lehrer der anderen Sekten‘ und somit vor allem mir ihre Anerkennung zuteil werden lassen.

„Zum andern, Kassapa: ‚Mögen die Verständigen uns ins Verhör nehmen . . ., um herauszubekommen, wer von beiden das, was gut, untadelig, der Pflege wert, eines Auserlesenen würdig und lauter und beiderseits dafür erklärt worden ist, vollständig und dauernd sich zu eigen gemacht hat, der Samaṇa Gotama oder die anderen verehrlichen Sektenlehrer‘.

„Da kommt es vor, Kassapa, daß die Verständigen nach diesem Verhör und dieser Prüfung das Urteil fällen: ‚Der Samaṇa Gotama hat jenes Gute . . . vollständiger sich zu eigen gemacht als die verehrlichen anderen Sektenlehrer‘ und somit auch hierin vor allem mir ihre Anerkennung zuteil werden lassen.

„Weiter, Kassapa: ‚Mögen Verständige eine Prüfung anstellen, um herauszubekommen, wer das Böse . . . gründlich und dauernd abgestreift hat, die Jüngergemeinde des Gotama, oder die verehrlichen Jüngergemeinden anderer Sektenlehrer‘.

„Es kommt vor, Kassapa, daß die Verständigen nach dieser Prüfung das Urteil fällen: ‚Die Jüngergemeinde des Gotama hat jenes Böse . . . gründlicher abgetan als die Jüngerscharen anderer Sektenlehrer‘ und somit hierin vor allem uns ihre Anerkennung zuteil werden lassen.

„Weiter, Kassapa: ‚Mögen die Verständigen prüfen, wer das Gute . . . vollständig und dauernd sich zu eigen gemacht hat, die Jüngergemeinde des Gotama oder die verehrlichen Jüngergemeinden anderer Sektenlehrer‘.

„Es kommt vor, daß die Verständigen nach dieser Prüfung das Urteil fällen: ‚Die Jüngergemeinde des Gotama hat jenes Gute . . . vollständiger sich zu eigen gemacht als die Jüngergemeinden der anderen Sektenlehrer‘, und somit auch hierin vor allem uns ihre Anerkennung zuteil werden lassen.

„Kassapa, es gibt einen Weg, einen Pfad, auf dem emporschreitend ein jeder selbst klar erkennen wird, daß der Samaṇa Gotama nur spricht, was am Platze, was wahr und was dem Heile dienlich ist, daß er die Lehre der Wahrheit verkündet und die Regel für die Erziehung (des Inneren) gibt. Und welches, Kassapa, ist dieser Weg, dieser Pfad . . .? Es ist dieser hehre achtfache Weg: rechte Ansicht, rechtes Wollen, rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt, rechtes Ringen, rechtes Sichbesinnen, rechte Konzentration. Das, Kassapa, ist der Weg, das der Pfad, auf dem emporschreitend ein jeder selbst klar erkennen wird, daß der Samaṇa Gotama nur spricht, was am Platze, was wahr, was dem Heile dienlich ist, daß er die Lehre der Wahrheit verkündet und die Regel für die Erziehung (des Inneren) gibt.“

Hierauf erwiderte der Nacktgänger Kassapa dem Erhabenen: „Freund Gotama, aber auch asketische Observanzen wie die folgenden gelten manchen Samaṇa’s und Brahmanen als Samaṇaschaft und Brahmanentum: daß einer nackt geht, sich über die Regeln des Anstandes hinwegsetzt, (nach dem Essen die Speisereste von) seinen Händen abkratzt, die freundliche Aufforderung, näher zu treten oder ein wenig zu warten (um Almosenspeise in Empfang zu nehmen), unbeachtet läßt, Speise verschmäht, die ihm (aus freiem Antriebe) gebracht wird, ebenso Speise, die eigens für ihn zubereitet ist, eine Einladung ablehnt, direkt aus dem Kochtopfe oder der Pfanne nichts zu essen annimmt, auch nichts, was innerhalb der Schwelle niedergelegt ist oder zwischen Stöcken oder zwischen Dreschflegeln, nichts, was ihm angeboten wird (nur) von dem einen von zwei Essenden, nichts von einer schwangeren Frau oder von einer säugenden oder von einer, die sich (gerade) bei einem Manne befindet, nichts von Mahlzeiten, für die (bei einer Hungersnot) die Mittel durch Aufruf beschafft sind (?), nichts, wo ein Hund in der Nähe ist, oder wo Fliegen in dichten Schwärmen sich aufhalten, keinen Fisch, kein Fleisch, daß er keine berauschenden geistigen Getränke und keinen Getreidetrank trinkt, daß er jedes Mal nur aus einem einzigen Hause Essen annimmt oder immer nur einen Bissen oder aus zwei Häusern oder zwei Bissen (etc.) oder aus sieben Häusern oder sieben Bissen, daß er von einer einzigen Almosengabe lebt oder von zwei (etc.) oder von sieben, daß er der Observanz huldigt, in gewissen Zeiträumen nur einmal zu essen: jeden Tag einmal oder alle zwei Tage (etc.) oder alle sieben Tage und so fort bis zu einem Zeitraum von vierzehn Tagen.

„Freund Gotama, auch asketische Observanzen wie die folgenden gelten manchen Samaṇa’s und Brahmanen als Samaṇaschaft und Brahmanentum: daß einer nur Kohl ißt oder Hirse oder wilden Reis, oder daß er Riemen verzehrt oder nur die Wasserpflanze Pistia stratiotes genießt oder Reispuder oder den Schaum von gekochtem Reis oder Sesam-Mehl oder Gras oder Kuhmist oder Wurzeln und Früchte des Waldes oder nur Früchte, die von selbst ihm vor die Füße fallen.

„Freund Gotama, auch asketische Observanzen wie die folgenden gelten manchen Samaṇa’s und Brahmanen als Samaṇaschaft und Brahmanentum: daß einer nur Hanfkleidung trägt oder Halb- Hanf (?) oder Kleider, die von einer Leiche herrühren, oder Kleidung, die zusammengeflickt ist aus Lumpen, die von Kehrichthaufen zusammengelesen sind, oder Kleidung aus Tirita-Bast oder Felle von schwarzen Antilopen oder ein Gewand, das fischnetzartig aus Streifen solcher Felle geflochten ist, oder eins aus Halmen von Kusa-Gras oder aus Bast oder aus Holzscheibchen(?) oder eine Decke aus Menschen- oder aus Pferdehaar oder aus Eulenfedern. Oder daß er ein Haupt- und Barthaar-Ausrupfer ist, d.h. das Haar- und Bart-Ausraufen als stehende Observanz betreibt; daß er immer steht und das Sitzen verschmäht; oder daß er ein Hocksitzer ist, d.h. Hockendsitzen als seine asketische Übung betrachtet, der er sich hingibt; oder daß er ein Dornbettmensch ist, der sich auf einem mit Dornen gepolsterten Bette lagert; oder daß er auf einer Holzpritsche schläft oder auf bloßer Erde oder immer nur auf einer Seite; daß er sich von Staub und Schmutz überziehen läßt; daß er ausschließlich unter freiem Himmel lebt und das Prinzip hat, mit jedem Sitz fürlieb zu nehmen, den man ihm anbietet; daß er ein Genießer der viererlei unreinlichen Dinge ist, d.h. daß er deren Genuß observanzmäßig treibt; daß er ein Nicht-Trinker ist, d.h. daß er es zu seiner unverbrüchlichen Observanz gemacht hat, niemals (kaltes) Wasser zu trinken; daß er den Brauch befolgt, jeden Tag (von Morgens) bis Abends drei Mal zu baden.“

„Kassapa, mag jemand auch nackt gehen, sich über die Regeln des Anstandes hinwegsetzen, (nach dem Essen sich die Speisereste) von den Händen abkratzen . . . und der Observanz huldigen, in gewissen Zeiträumen nur einmal zu essen, bis zu einem Zeitraume von vierzehn Tagen, und er hat nicht nach Vollendung seiner sittlichen Zucht, nach der höchsten Bildung des Herzens und nach vollkommener Weisheit getrachtet, noch es dazu gebracht, so ist er weit entfernt von Samaṇaschaft und Brahmanentum. Wenn aber, Kassapa, ein Bhikkhu sich selbst zu solcher Herzensgüte erzieht, daß er Haß und Böswilligkeit nicht mehr kennt und, weil er frei geworden ist von den Schwächen der weltlichen Daseinsauffassung, die Erlösung durch (Läuterung des) Inneren und durch Erkenntnis, die jenseits solcher Schwächen ist, schon hier im Irdischen selbst erkennt, verwirklicht und dauernd sich gewinnt, so verdient, Kassapa, ein solcher Bhikkhu die Bezeichnung ‚Samaṇa‘ und ‚Brahmane‘.—Kassapa, mag jemand auch nur Kohl oder nur Hirse oder nur wilden Reis essen . . . oder von Wurzeln und Früchten des Waldes leben oder nur von Früchten, die von selbst ihm vor die Füße fallen, und er hat nicht nach Vollendung seiner sittlichen Zucht, nach der höchsten Bildung des Herzens und nach vollkommener Weisheit getrachtet noch es dazu gebracht, so ist er weit entfernt von Samaṇaschaft und Brahmanentum. Wenn aber, Kassapa, ein Bhikkhu sich selbst ..., so heißt, Kassapa, ein solcher Bhikkhu (mit Recht) ‚Samaṇa‘ und ‚Brahmane‘.—Kassapa, mag jemand auch nur Hanfkleidung tragen oder Halb-Hanf . . . oder den Brauch befolgen, jeden Tag (von Morgens) bis Abends drei Mal zu baden, und er hat nicht nach Vollendung seiner sittlichen Zucht, nach der höchsten Bildung des Herzens und nach vollkommener Weisheit getrachtet noch es dazu gebracht, so ist er weit entfernt von Samaṇaschaft und Brahmanentum. Wenn aber, Kassapa, ein Bhikkhu sich selbst zu solcher Herzensgüte erzieht, daß er Haß und Böswilligkeit nicht mehr kennt und, weil er frei geworden ist von den Schwächen der weltlichen Daseinsauffassung, die Erlösung durch (Läuterung des) Inneren und durch Erkenntnis, die jenseits solcher Schwächen ist, schon hier im Irdischen kraft eigenen Erkennens und Verwirklichens gewonnen hat und dauernd sich erhält, so heißt ein solcher Bhikkhu (mit Recht) ‚Samaṇa‘ und ‚Brahmane‘.“

Darauf erwiderte der Nacktgänger Kassapa dem Erhabenen: „Verehrter Gotama, Samaṇaschaft und Brahmanentum ist doch recht schwer zu erringen.“

„Ja, Kassapa, in der Welt herrscht allgemein die Ansicht, Samaṇaschaft und Brahmanentum sei schwer zu erringen. Und doch, Kassapa, wenn es nur danach ginge, daß einer nackt herumläuft, sich über die Regeln des Anstandes hinwegsetzt, die Hände (nach dem Essen einfach) abkratzt . . . und der Observanz folgt, innerhalb gewisser Zeitraume, bis zu einem Zeiträume von vierzehn Tagen, nur einmal zu essen, wenn Samaṇaschaft und Brahmanentum für schwer, sehr schwer erreichbar nur gälte, weil solche asketische Anstrengungen dazu nötig wären, dann wäre die Behauptung von solcher Schwierigkeit nicht am Platze. Ist doch jeder schlichte Bürger und Bürgerssohn, ja jede wasserkrugtragende Sklavin, imstande den Entschluß zu fassen: ‚Wohlan, ich will nackt einhergehen, mich über alle Anstandsregeln hinwegsetzen, meine Hände (nach dem Essen einfach) nur abkratzen . . . und mich der Observanz unterwerfen, in . . . vierzehn Tagen nur einmal zu essen‘. Deshalb vielmehr, weil es auf Größeres als auf solche Dinge ankommt, weil weit über solche asketischen Anstrengungen hinaus Samaṇaschaft und Brahmanentum schwer, sehr schwer zu erringen ist, darum gibt es allerdings ein Recht zu sagen: ‚Schwer zu erringen ist Samaṇaschaft und Brahmanentum‘. Kassapa, wenn ein Bhikkhu sich zu solcher Herzensgüte erzieht, daß er Haß und Böswilligkeit nicht mehr kennt und, weil er frei geworden ist von den Schwächen der weltlichen Daseinsauffassung, die Erlösung durch (Läuterung des) Inneren und durch Erkenntnis, die jenseits ist von diesen Schwächen, schon hier im Irdischen kraft eigenen Erkennens und Verwirklichens gewonnen hat und dauernd sich erhält, so heißt ein solcher Bhikkhu mit Recht ‚Samaṇa‘ und ‚Brahmane‘.—Und wenn es, Kassapa, nur danach ginge, daß einer ausschließlich von Kohl lebt . . ., oder daß er von Wurzeln und Früchten des Waldes lebt oder nur von Früchten, die von selbst ihm vor die Füße fallen, wenn Samaṇaschaft und Brahmanentum nur deshalb schwer, sehr schwer erreichbar hieße, weil solche asketischen Observanzen dazu nötig wären, dann wäre die Behauptung von dieser Schwierigkeit nicht am Platze. Ist doch jeder schlichte Bürger und Bürgerssohn, ja jede wasserkrugtragende Sklavin imstande, den Entschluß zu fassen: ‚Wohlan, ich will nur noch von Kohl, von Hirse leben . . .‘ Deshalb vielmehr, weil es auf Größeres als auf solche Dinge ankommt . . .

Hierauf erwiderte der Nacktgänger Kassapa dem Erhabenen: „Gotama, es ist schwer, den Samaṇa und den Brahmanen zu erkennen“. „Ja, Kassapa, in der Welt herrscht allgemein die Ansicht, Samaṇa und Brahmane seien schwer zu erkennen. Und doch, Kassapa, wenn es nur danach ginge, daß einer nackt herumläuft, sich über alle Anstandsregeln hinwegsetzt, (die Spuren des Mahles) von den Händen einfach abkratzt . . . und der Observanz folgt, innerhalb gewisser Zeiträume, bis zu einem Zeitraume von vierzehn Tagen, nur einmal zu essen, wenn Samaṇa und Brahmane nur deshalb für schwer, sehr schwer erkennbar gälte, weil solche asketische Betätigungen dazu nötig wären, dann wäre die Behauptung von der schweren Erkennbarkeit nicht am Platze. Ist doch jeder Bürger und Bürgerssohn, ja jede wasserkrugtragende Sklavin imstande zu sehen: ‚Der da geht nackt, der setzt sich über alle Anstandsregeln hinweg, der kratzt (die Reste der Mahlzeit) von seinen Händen einfach ab . . ., er befolgt die Observanz, innerhalb gewisser Zeiträume, bis zu einem Zeitraume von vierzehn Tagen, nur einmal zu essen‘.

Deshalb vielmehr, Kassapa, weil es auf Größeres als auf solche Dinge ankommt, weil weit über solche asketische Betätigungen hinaus Samaṇa und Brahmane schwer, sehr schwer zu erkennen sind, darum gibt es ein Recht zu sagen: ‚Den Samaṇa und den Brahmanen zu erkennen ist schwer‘. Wenn ein Bhikkhu sich zu solcher Herzensgüte erzieht, daß er, Kassapa, Haß und Böswilligkeit nicht mehr kennt und, weil er frei geworden ist von den Schwächen der weltlichen Daseinsauffassung, die Erlösung durch (Läuterung des) Inneren und durch Erkenntnis, die jenseits solcher Schwächen ist, schon hier im Irdischen kraft eigenen Erkennens und Verwirklichens gewinnt und dauernd sich erhält, so heißt ein solcher Bhikkhu mit Recht ‚Samaṇa‘ und ‚Brahmane‘.—Wenn, Kassapa, einer ausschließlich von Kohl lebt . . .“

Hierauf richtete der Nacktgänger Kassapa an den Erhabenen die Frage: „Verehrter Gotama, welches ist denn nun aber diese Vollendung der sittlichen Zucht, diese höchste Läuterung des Inneren und diese vollkommene Erkenntnis?“

„Kassapa, ‚es handelt sich da (zunächst) darum, daß ein Tathāgata in der Welt erscheint, ein vollendeter vollkommen Erleuchteter . . .. Auch in kleinen Verfehlungen sieht (der Bhikkhu) eine Gefahr, die Gebote hat er auf sich genommen und müht sich, ihnen nachzuleben, er lebt rechtschaffen in Werken und Worten, untadelig ist die Art, wie er sein Leben fristet, er befolgt die Regeln der sittlichen Zucht, sorgsam hält er Wache am Tore seiner Sinne, er handelt in besonnener Vollbewußtheit und ist voll Zufriedenheit.

„Und worin, Kassapa, besteht eines Bhikkhu sittliche Zucht? Sie besteht in folgendem: Er enthält sich der Verletzung lebender Wesen, er hat ihr entsagt, er rührt weder Stock noch Waffe an, er lebt anspruchslos, mitleidsvoll, nur von der Sorge um aller Wesen Wohlsein bewegt, dahin. Das ist ein Teil seiner sittlichen Zucht. (Entsprechend dem Sāmaññaphala auszuführen) . . . . Manche ehrwürdige Samaṇa’s und Brahmanen, die von der Freigebigkeit der Gläubigen leben, gewinnen doch ihren Lebensunterhalt auch noch mittelst niederer Künste und Wissenschaften wie: Gelübde an Gottheiten, Einlösung solcher Gelübde . . ., Wiederentfernung (scharfer) Arzneistoffe aus dem (oder vom) Körper im geeigneten Zeitpunkt,—(der Bhikkhu aber, der sich selbst zur höchsten Vollendung erzieht,) will nichts wissen von verwerflichem Erwerb des Lebensunterhalts mittelst solcher niederen Künste und Wissenschaften. Auch das gehört zur Vollendung seiner sittlichen Zucht.

„Kassapa, ein Bhikkhu von solch vollendeter sittlicher Zucht sieht von keiner Seite Gefahr, was Gefahren betrifft, die mit dem Gehege der sittlichen Zucht zusammenhängen. Kassapa, wie ein König aus Khattiya-Stamm, der der Salbung teilhaftig geworden ist und seine Gegner niedergeworfen hat, von keiner Seite mehr Gefahr sieht—was Gefahren betrifft, die von Gegnern kommen,—geradeso, Kassapa, sieht auch ein Bhikkhu von solch vollendeter sittlicher Zucht von keiner Seite Gefahr—was Gefahren betrifft, die mit dem Gehege der sittlichen Zucht zusammenhängen. Und ausgestattet mit diesem Schatz vollendeter sittlicher Zucht empfindet er in seinem Innern ein einwandfreies Glück. Kassapa, so ist ein Bhikkhu von vollendeter sittlicher Zucht beschaffen. Das, Kassapa, ist die Vollendung der sittlichen Zucht.

„Und worin, Kassapa, besteht die Wachsamkeit des Bhikkhu am Tore der Sinne? Darin, Kassapa, daß der Bhikkhu, wenn er mit dem Auge eine Gestalt erblickt, weder diesen Sinnesreiz im Ganzen beachtet . . .. Er bestrebt sich, demjenigen Schranken zu ziehen, vermöge dessen die Übel Begier und Kümmernis über einen kommen, der sich nicht wachsam gegen den Verstand verhält: er ist auf seiner Hut gegenüber dem Verstande, er richtet sein Streben darauf, dem Verstande gegenüber sich mit einer Schranke zu umgeben. Und ausgerüstet mit dieser Wachsamkeit gegen die Sinne, die nicht Sache der breiten Masse ist, empfindet er in seinem Inneren einen nicht durch Zerfahrenheit gefährdeten Frieden. Darin, Kassapa, besteht die Wachsamkeit des Bhikkhu am Tore der Sinne . . . . Sobald er nun wahrnimmt, daß die fünf Hemmnisse aus seinem Innern getilgt sind, erwacht in ihm Freude und Lust, (die Vorstellung) ‚Körper‘ kommt (in ihm) zur Ruhe, im Besitz dieser Ruhe empfindet er Frieden, und wenn er Frieden empfindet, gelangt auch sein Geist zur Konzentration. Indem er sich losmacht von den Sinnengenüssen, von allem Übelen, erreicht er die mit energischem Denken und Erwägen verbundene, glück- und freudereiche erste Stufe der Versenkung, die durch Loslösung gewonnen wird, und hält sie fest. Er tränkt diesen seinen (leiblichen) Körper . . . Das gehört zur höchsten Vervollkommnung seines Inneren.

„Dann wieder, Kassapa, erreicht der Bhikkhu, indem er allem Denken und aller Erwägung ein Ende macht, die von Denken und Erwägung freie, glück- und freudereiche zweite Stufe der Versenkung, die Frieden im Innern und Erhebung-und-Zusammenschluß des Geistes bringt und durch Konzentration gewonnen wird . . . und hält sie fest . . ., . . . die dritte Stufe . . ., . . . die vierte Stufe der Versenkung . . . und hält sie fest . . .. Auch das, Kassapa, gehört zur höchsten Vervollkommnung seines Innern. Kassapa, das ist jene höchste Läuterung des Inneren.

„Wenn des Bhikkhu Geist so konzentriert, geläutert, hell, vom Dunstkreis des Irdischen frei, fleckenlos, empfänglich, geschickt, stetig und unerschütterlich geworden ist, wendet er ihn hin und richtet ihn auf das erkennende Schauen. Und so erkennt er: ‚Dieser mein gestalthafter Körper ist aus den vier Elementen zusammengesetzt, von Vater und Mutter gezeugt, aufgebaut aus (genossenem) Reisbrei und saurem Reisschleim, vergänglich, der Vernichtung, der Aufreibung, dem Zerfall und Untergang geweiht, und doch befindet sich in ihm mein Bewußtsein und ist an ihn gebunden‘.

„Kassapa, es verhält sich damit wie mit einem schönen, hervorragend wertvollen, achtkantigen, vortrefflich geschliffenen, reinen, funkelnden, mit allen Kennzeichen der Güte versehenen Veḷuriya-Edelsteine, durch den ein dunkelblauer, dunkelgelber, roter, weißer oder hellgelber Faden gezogen ist. Geradeso, Kassapa, ist es mit dem Bhikkhu, der, wenn sein Geist so konzentriert, geläutert, hell, vom Dunstkreis des Irdischen frei, fleckenlos, empfänglich, geschickt, stetig und unerschütterlich geworden ist, ihn auf das erkennende Schauen hinwendet und richtet. Er erkennt: ‚Dieser mein gestalthafter Körper ist aus den vier Grundelementen zusammengesetzt . . ., und in ihm steckt mein Bewußtsein und ist an ihn gebunden‘. Das gehört zu seinem Reichtum an vollkommener Weisheit . . . Er erkennt: ‚. . . . ‚, eine Wiederkehr gibt es nicht‘. Auch das gehört zu seinem Reichtum an vollkommener Weisheit. Kassapa, das ist jener vollkommene Weisheits-Besitz.

„Und, Kassapa, noch einen anderen, höheren oder erhabeneren Reichtum an sittlicher Zucht, Herzensbildung und Weisheit als diesen genannten gibt, es nicht.

„Kassapa, es gibt manche Samaṇa’s und Brahmanen, die sittliche Zucht predigen. Sie preisen sie in mannigfachen Ausführungen. Was aber die vornehmste, höchste sittliche Zucht anlangt, so sehe ich keinen, der darin mir gleich wäre oder gar voranstände. Vielmehr stehe ich über den anderen, was meine Ansicht über die sittliche Zucht betrifft.

„Kassapa, es gibt manche Samaṇa’s und Brahmanen, die peinlich konsequente Weltentsagung predigen. Sie preisen sie in mannigfachen Ausführungen. Was aber, Kassapa, die vornehmste, höchste Art der asketischen Weltentsagung anbetrifft, so sehe ich keinen, der darin mir gleich wäre oder gar voranstände. Vielmehr stehe ich über den anderen, was meine Ansichten über die Weltentsagung anbetrifft.

„Kassapa, es gibt manche Samaṇa’s und Brahmanen, die Weisheit predigen. Sie preisen sie in mannigfachen Ausführungen. Was aber, Kassapa, die vornehmste, höchste Weisheit anbetrifft, so sehe ich keinen, der darin mir gleich wäre oder gar voranstände. Vielmehr stehe ich über den anderen, was die Weisheit anbetrifft.

„Kassapa, es gibt manche Samaṇa’s und Brahmanen, die die Loslösung (Erlösung) predigen. Sie preisen sie in mannigfachen Ausführungen. Was aber, Kassapa, die vornehmste, höchste Loslösung anbetrifft, so sehe ich keinen, der in dieser Beziehung mir gleich wäre oder gar voranstände. Vielmehr stehe ich über den anderen, was meine Lehre von der Loslösung anbetrifft.

„Kassapa, es ist möglich, daß Wander-Asketen anderer Sektenzugehörigkeit so sagen: ‚Der Samaṇa Gotama spricht sehr kühn, aber er wagt es nur im privaten Kreise, nicht in Versammlungen‘. Denen ist zu antworten: ‚Redet nicht so! Freilich spricht der Samaṇa Gotama kühn, aber er tut es auch in Versammlungen‘. Kassapa, es ist auch möglich, daß Wander-Asketen anderer Sektenzugehörigkeit sagen: ‚Der Samaṇa Gotama spricht kühn, auch in Versammlungen, er tut es aber nicht mit selbstsicherer Überzeugtheit‘. Denen ist zu antworten: ‚. . . er tut es auch mit selbstsicherer Überzeugtheit‘. Oder sie sagen: . . ., aber andere legen ihm keine Fragen vor‘, denen ist zu antworten: ‚. . . sie legen ihm doch Fragen vor‘. Oder sie sagen: ‚. . ., aber er beantwortet solch eine Frage nicht‘, denen ist zu antworten: ‚Ja . . . er beantwortet sie‘. Oder sie sagen: ‚. . ., aber er überzeugt mit seiner Antwort die Menschen nicht‘ . . . ‚. . . Ja, er überzeugt sie‘ . . .‚. . ., aber sie halten es nicht für nötig, hinzuhören‘ . . . ‚. . ., sie halten es für nötig, hinzuhören.‘ ‚. . ., aber sie glauben ihm nicht, wenn sie ihn gehört haben.‘ ‚. . ., sie glauben auch an ihn, wenn sie ihn gehört haben.‘ ‚. . ., aber wenn sie auch glauben, so zeigen sie es doch nicht.‘ ‚. . ., sie zeigen es auch, wenn sie an ihn glauben.‘ ‚. . ., aber sie bemühen sich nicht, seine Lehre zu realisieren.‘ ‚. . ., sie bemühen sich, seine Lehre zu realisieren.‘ ‚. . ., aber wenn sie sich auch bemühen, so gelingt es ihnen doch nicht.‘ ‚. . ., es gelingt ihnen auch.‘ (Alles zusammengenommen) ist ihnen also zu sagen: ‚Redet doch nicht so! Der Samaṇa Gotama spricht freilich kühn, aber er tut es auch in Versammlungen, mit selbstsicherer Überzeugtheit, . . .

„Kassapa, ich hielt mich einmal bei Rājagaha auf dem Geierberge auf. Dort legte mir ein gewisser Nigrodha, der einer asketischen Frömmigkeit ergeben war, eine Frage über asketische Weltentsagung vor, ich beantwortete sie ihm, und er war über meine Antwort über die Maßen erfreut.“

„Herr, wer wäre denn nicht über die Maßen erfreut, wenn er die Predigt des Erhabenen hört? Auch ich, Herr, bin es, nachdem ich sie gehört habe. Vortrefflich, Herr, ganz vortrefflich, Herr! Wie wenn jemand etwas Umgestürztes aufrichtet, etwas Verborgenes enthüllt, einem Verirrten den Weg weist oder eine Lampe bringt, wenn es finster ist, damit die, die Augen haben, die Dinge sehen können, geradeso hat der Erhabene auf mancherlei Weise die Lehre klar gemacht. Daher nehme ich, Herr, meine Zuflucht bei dem Erhabenen, bei der Lehre und bei der Bhikkhu-Gemeinde. Herr, ich möchte der Zeremonie des Weltverzichtes in der Nachfolge des Erhabenen und der Zeremonie der vollgiltigen Aufnahme (in den Orden) teilhaftig werden.“

„Kassapa, wer der Zeremonie des Weltverzichtes und derjenigen der Aufnahme in den von dieser Lehre beherrschten Kreis teilhaftig zu werden wünscht, nachdem er vorher einer anderen Sekte angehört hat, der muß vier Monate Probezeit durchmachen, und erst wenn diese vorüber sind, gewähren ihm die Bhikkhu’s, falls er ihre Neigung gewonnen hat, die Zeremonie des Weltverzichtes und der Aufnahme und machen ihn so zum Bhikkhu. Aber ich weiß sehr wohl, daß in diesen Dingen individuelle Verschiedenheiten zu berücksichtigen sind.“

„Herr, wenn diejenigen, die der Zeremonie des Weltverzichtes und der Aufnahme in den von dieser Lehre beherrschten Kreis teilhaftig zu werden wünschen, nachdem sie vorher einer anderen Sekte angehört haben, vier Monate Probezeit durchmachen müssen, und erst dann die Bhikkhu’s, falls sie deren Sympathieen gewonnen haben, ihnen beide Zeremonieen gewähren, durch die sie dann zu Bhikkhu’s werden, so will ich mich einer vierjährigen Probezeit unterziehen, und erst nach vier Jahren mögen die Bhikkhu’s, wenn sie mir dann geneigt sind, mich beider Zeremonieen würdigen, damit auch ich ein Bhikkhu durch sie werde.“

Und der Nacktgänger Kassapa wurde der Zeremonie des Weltverzichtes in der Nachfolge des Erhabenen und der Aufnahme teilhaftig. Und schon bald nach der Aufnahme lebte der ehrwürdige Kassapa für sich allein und zurückgezogen, wachsam, strebend und innerlich gerade auf’s Ziel gerichtet, und es dauerte nicht lange, so hatte er jenes höchste Endziel frommen Lebens, um deswillen Männer aus den besten Familien auf immer aus dem Heim in die Heimlosigkeit gehen, schon hier im Irdischen selbst erkannt, verwirklicht und zu dauerndem Besitz gewonnen, und es war ihm klar geworden: „Aufgehoben ist alles Werden, vorbei ist es mit der Notwendigkeit religiösen Ringens, gelöst ist die Aufgabe, eine Wiederkehr gibt es nicht“. Und so war der ehrwürdige Kassapa ein Vollendeter geworden.

Ende des Kassapa-Sīhanāda-Sutta.